Die aktuelle Debatte über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht berührt Grundfragen, die uns als Grüne seit Jahrzehnten beschäftigen: Wie verbinden wir Sicherheit mit Freiheit, Selbstbestimmung und gesellschaftlichem Zusammenhalt?
Ich bin überzeugt: Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist keine zeitgemäße Antwort auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Unsere Verteidigungspolitik muss zukunftsorientiert sein und die gesellschaftlichen Veränderungen seit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 ernst nehmen. Die Bundeswehr braucht heute keine große Masse unausgebildeter Wehrpflichtiger, sondern motivierte, spezialisierte Freiwillige, die sich bewusst für den Dienst entscheiden.
Die Vorstellung, man könne dieses Problem einfach durch Pflichtdienst lösen, greift zu kurz. Sie verkennt, dass eine moderne Armee Fachkräfte braucht, die mit komplexer Technik umgehen können und hochspezialisierte Aufgaben übernehmen.
Auch die gesellschaftliche Akzeptanz spricht klar gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht. In aktuellen Umfragen lehnt eine Mehrheit junger Menschen eine solche Maßnahme ab, weil sie zu Recht einen massiven Eingriff in ihre Lebensplanung fürchten. Gerade in einer Zeit, in der junge Menschen durch Studium, Ausbildung und Fachkräftemangel ohnehin stark unter Druck stehen, wäre eine Wehrpflicht ein Signal in die völlig falsche Richtung. Statt Verantwortung ernsthaft zu fördern, droht sie Vertrauen zu verspielen.
Ich halte es deshalb für notwendig, zuerst alle freiwilligen Ansätze konsequent auszuschöpfen. Eine Bundeswehr, die durch attraktive Arbeitsbedingungen, gute Aus- und Weiterbildung, faire Bezahlung und gesellschaftliche Wertschätzung überzeugt, gewinnt Menschen aus Überzeugung, nicht aus Zwang.
Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht mit Symbolpolitik lösen. CDU/CSU und SPD erwecken derzeit den Eindruck, Wehrpflicht sei ein einfacher Hebel zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. Tatsächlich aber würde eine Rückkehr zur Pflicht in erster Linie Ressourcen binden, ohne die dringend benötigte technologische und personelle Modernisierung voranzubringen. Sicherheit entsteht heute durch gut ausgebildete Menschen, moderne Ausrüstung und verlässliche Strukturen – nicht durch Zwang und Losverfahren.


